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Freitag, 6. Juni 2014

Schatten der Vergangenheit

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Post veröffentlichen soll. Sehr lange. Aber manchmal muss man eine Erinnerung aus der Kiste raus holen damit sie Ruhe gibt und sich wieder wegschließen lässt.
.........

Ich war vierzehn Jahre alt und verbrachte meinen Sommer im Süden. Mein erster Freund, eine Urlaubsliebe. Händchen halten, knutschen. Mehr bald irgendwann, wir freuten uns drauf.

Die Abende verbrachten wir in der Bar. Wir, das waren nicht nur mein Freund und ich. Das war eine große Clique. Wenn alle da waren, waren wir über dreißig Leute. Die Musik in der Bar war mäßig, langweilig für Teenager und junge Erwachsene. Wir wollten nicht nur bei drittklassigen Schlagern am Kicker stehen und trinken, wir wollten tanzen.
Nun war das kein Partyort sondern ein wirklich schöner Campingplatz. Eine Disco sollte schon im Vorjahr gebaut werden. Aber sie war noch nicht fertig. Der Nachbarcampingplatz hatte aber eine. Dummerweise war es nicht erlaubt, da rüber zu gehen. Schon gar nicht abends. Deswegen gabs auf beiden Plätzen Nachtwächter. Auf unserem nur einer, den kannten wir und der war super. Er wusste wo er weggucken musste und er verstand, dass wir etwas erleben wollten.
Hinter dem Parkplatz im Wald gab es ein Tor über das man klettern konnte. Direkt dahinter erstreckte sich eine große freie Fläche vom Nachbarcampingplatz. Wir waren ja eine große Gruppe und gingen jeden Abend darüber. Die Nachtwächter mieden wir aber wir waren zuviele, sie hätten uns eh nicht festhalten können. Wir sahen sie manchmal von Weitem. Wenn man gerade darüber ging, kam man nach wenigen Minuten zu den Gebäuden und war recht schnell an der Disco.
Da gabs Techno und Cocktails.

 Ich war wie immer ziemlich betrunken. Wie das so ist wenn man vierzehn ist und nach ein paar Bier noch ein paar Cocktails trank. Das Stroboskop gab mir den Rest. Aber es war geil. Leider bin ich an einem Abend ziemlich abgestürzt. Ich wollte einfach nur zurück, mir ging es nicht gut. Ich bat meinen Freund, mit mir zu gehen. Doch der war abgelenkt. Ich bat ein paar Kumpels, mit zu gehen aber sie meinten nur, ich sollte noch warten, sie würden auch gleich gehen. Ich konnte aber nicht mehr und das "gleich" kannte ich schon. Das konnte dauern.
Also ging ich alleine los. Der Weg war nicht das Problem. Das Problem war, dass ich hackenstrack war und mir der Schutz der Gruppe fehlte.
Die Hälfte der freien Fläche war schon überquert, als jemand auf mich zukam. Ich tat, als hätte ich ihn nicht bemerkt und ging weiter. Er rief mich. Ich hörte nichts. Rennen war zwecklos, falsche Schuhe, zuviel Promille. Er war nüchtern und sportlich. Seine Hand packte meinen Oberarm und er sprach mich an. Ich tat als würde ich nichts verstehen doch dann sprach er gebrochenes deutsch.
Wer ich sei, was ich da mache und ob mir klar sei, dass das verboten sei. Er müsse die Polizei rufen. Bevor ich was sagen konnte, sprach er weiter und meinte, es sei ja gefährlich für ein junges Mädel wie mich da alleine rumzulaufen und er würde mich zum Strand bringen, wo ich gefahrlos zu unserem Campingplatz zurück gehen konnte. Ich versuchte ihn zu überreden, mich nur gehen zu lassen. Über das Tor zu klettern sei kein Problem. Es war ja echt nicht mehr weit, ich konnte es sehen. Mein Instinkt sagte mir "Lauf, der Kerl ist gefährlicher als das Tor" aber mein Zustand ließ das nicht zu. Scheiß Situation. Sein Funkgerät ging, er sagte seinem Kollegen, dass er keine Hilfe brauche, dass er sich aber mal eine halbe Stunde abmelden würde. Er wusste nicht, dass ich jedes Wort verstand. Die Alarmglocken waren inzwischen lauter als alles. Leider reichte das Adrenalin nicht aus um den Alkohol aus den Adern zu verdrängen.
Er machte Smalltalk, legte seinen Arm um meine Hüfte. Ich kam aus dem Griff nicht raus. Es galt gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Sobald ich irgendwo gewohntes Terrain sah und eine reelle Fluchtmöglichkeit hatte, wollte ich rennen.

So ging ich mit ihm Richtung Strand. Der war weit entfernt, schätzungsweise zwei oder eher drei Kilometer. In der Ferne hörte ich meine Clique, sie gingen nun zurück. Ich wollte rufen doch sein Griff wurde fester und er sagte, ich solle leise sein, keinesfalls rufen sonst würde er seinen Kollegen zu sich rufen und das wolle ich sicher nicht. Scheiße.

Ab dem Moment versuchte ich nur noch, ihn am Reden zu halten. Über belangloses. Artig bedankte ich mich für seine Komplimente und wechselte dann direkt das Thema. Ich hatte das Gefühl, dass er mich über Umwege zum Strand brachte. Er leugnete das.
Dafür erzählte er mir, dass er nur im Sommer auf dem Platz arbeite und den Rest des Jahres in Hamburg wäre wo er viel Geld verdiene. Alles gelogen, da war ich mir sicher. Inzwischen verflog der Alkohol aus meinem Kopf, ich versuchte fieberhaft, im Dunkeln auszumachen, wann und wo ich am besten rennen könnte.

Irgendwann waren wir an Strandnähe. Immernoch ließ er mich nicht gehen, stattdessen wurde er deutlich. Ich solle mich dankbar zeigen dass er mir den sicheren Rückweg gezeigt hätte. Er zog mich an sich, küsste mich. Eine Hand in meinen Haaren. Er drückte mich in den Sand, funkte seinem Kollegen zu, dass er jetzt bitte nicht gestört werden wolle und sein Funkgerät ausmache aber er könne ja langsam zum Strand kommen, er hätte einen Fang gemacht und es bleibe sicher noch was für ihn übrig gleich. Der Kollege lachte. Mir war kotzübel.

Er drückte mich in den Sand, legte sich über mich. Küsste mich, zog meine Hose aus. "Niemand kann dich hören, versuch es erst gar nicht" und er hatte Recht. An dieser Stelle des Strandes war niemand um die Zeit. Vor Angst war ich wie gelähmt. Ich habe gar nicht mal mitbekommen, wie er mir die Hose ausgezogen hat. Dann versuchte er meine Beine auseinander zu drücken. 
Ich presste die Knie so fest aneinander wie ich nur konnte. Er fluchte aber es klappte. Ich schaffte es, im richtigen Moment das Knie hoch zu reißen und traf ihn unterm Kinn. 
Das war die Chance, ich sprang auf und rannte los. Er hielt noch meinen Knöchel fest aber ich trat einmal fest in seine Richtung. Er ließ los und ich legte einen Sprint hin. Die Hose habe ich im vorbei rennen noch erwischt. Ich rannte über die letzten Meter des offenen Strandes hinter den Zaun, immer weiter in den Pinienwald auf unserem Campingplatz. Ich rannte sehr lange. Die Lunge brannte doch ich traute mich nicht, stehen zu bleiben. 
Erst nach einer ganzen Weile erreichte ich das Licht eines Waschhauses. Dort versteckte ich mich. Und lauschte. Niemand war da, niemand mir gefolgt. Nach einer gefühlten Ewigkeit wagte ich mich raus, ging in die nächste Dusche und versuchte den Sand aus meinem Schritt zu waschen. Ich weinte lange.

Irgendwann traute ich mich aus dem Waschhaus. Auf direktem Weg ging ich zur Hauptstraße des Campingplatztes. Niemand sollte mich sehen aber ich wollte nicht ganz alleine durch den Wald laufen.

Als ich an meinem Zelt ankam, schliefen meine Eltern schon. Darüber war ich sehr froh. Ich kroch in mein Zelt. Immernoch schüttelten mich Weinkrämpfe. Aus dem Nebenzelt fragte mein Bruder leise, ob alles in Ordnung sei. Ich sagte mit festester Stimme Ja. Mir war so schlecht. Nochmal ging ich zum
Waschhaus, diesmal zu unserem. Dort duschte ich im Dunkeln bis das warme
Wasser leer war. Meine Tränen versiegten langsam und eine bleierne Müdigkeit überkam mich. Einschlafen konnte ich noch lange nicht.
.....
Inzwischen sind fünfzehn Jahre vergangen. Die ersten Jahre waren verdammt hart. Ich hatte Angst vor größeren Männergruppen. Das Gesicht des Typen verfolgte mich in meinen Träumen, ich hatte seine Stimme, seine Worte noch oft in den Ohren,
Meinen Eltern konnte ich mich sehr lange nicht anvertrauen. Die Angst vor der Reaktion war zu groß. 
Zuerst sprach ich mit Freunden, das half sehr. Dann vertraute ich mich meiner Patentante an. Die meinte, ich solle ruhig mit meiner Mutter sprechen. 
Also tat ich es denn die ganze Geschichte nagte noch lange an mir. Ich hätte es nie tun sollen. "Tja, wärest du mal nicht rüber in die Disco gegangen..."
Ein Schlag ins Gesicht.

Heute sind fast fünfzehn Jahre vergangen. Nur 3 Monate nach dem Erlebnis hatte ich mein erstes Mal. Ich lernte, dass nicht alle Männer Arschlöcher sind. Und musste mit den Jahren feststellen, dass mir trotz dieser Erfahrung Blümchensex nicht ausreicht. Das erstaunt mich selbst, aber da denke ich nicht drüber nach. Ich muss nicht alles durchanalysieren, ich lebe, liebe, genieße mein Leben und lasse die Vergangenheit Vergangenheit sein.

2 Kommentare:

  1. Was mich gerade bewegt ist natürlich dein Erlebnis, aber auch der Moment deines Schreibens, denn vorgestern musste ich meine Erfahrungen auch niederschreiben.

    Manche Dinge muss man hin und wieder aussprechen damit sie erträglich bleiben.

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  2. Mein Erlebnis liegt sehr lange zurück, ich denke selten daran. Aber es gibt diese Tage, voller Zweifel und Ängsten. Wo man sich fragt warum man so ist wie man ist und Antworten sucht. Dann denke ich an meine Kindheit/Jugend und spüre das ich zufrieden sein kann wie ich geworden bin, bei diesem Start. Ich akzeptiere es, denn es ist Geschichte und zwar meine ganz eigene. Vermutlich hat halt jeder seine Pakete zu tragen, manchmal kleinere, manchmal grössere.

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